Der gefährliche GV-Mais oder die vielleicht schlechteste Publikation aller Zeiten

Vor etwa einem Jahr sorgte eine wissenschaftliche Publikation für großes Aufsehen in den Medien, die im Journal “ Food and Chemical Toxicology“ erschien. Der französische Biologe Gilles Séralini  und seine Kollegen behaupteten im September 2012, dass Ratten, die mit dem genetisch veränderten Mais NK 603 gefüttert wurden, riesige Tumore bekamen. Um dies zu „belegen“, waren in der Publikation einige schockierende Bilder untergebracht, die Ratten mit zahlreichen großen Tumoren zeigten. Kurz nach Veröffentlichung stürzten sich die Medien auf das Thema. Klaus Kleber sprach im heute-Journal von einer „besorgniserregenden Studie“ (leider kann ich diese Sendung in der ZDF-Mediathek nicht finden, sonst hätte ich sie verlinkt). Für Umweltverbände, die sich gegen GV-Pflanzen engagieren, war die Veröffentlichung ein gefundenes Fressen. Wer genetisch veränderte Pflanzen zu sich nimmt, bekommt Krebs, dafür gab es nun einen wissenschaftlichen Beleg.

Doch vielleicht hätten sich die Mitarbeiter der heute-Redaktion, die Redakteure  und Journalisten der großen Tageszeitungen und die Vertreter der Umweltverbände die Studie erst mal genauer ansehen sollen. Schon kurz nach Veröffentlichung fiel auf, dass die Studie gravierende wissenschaftliche (und ethische) Mängel aufwies. Zum einen wurde ein Rattenstamm verwendet (Sprague Dawley), der dafür bekannt ist nach einigen Jahren Tumore zu entwickeln, zum anderen wurden zu kleine Gruppengrößen verglichen und es wurde keine statistische Analyse durchgeführt, um die Rattengruppen zu vergleichen (Ratten mit normalem Futter vs. Ratten mit GV-Mais-Futter). Das ist aber entscheidend für die Aussagekraft der Ergebnisse. Ohne Statistik kann man keine Aussage darüber treffen, ob die Beobachtung nur zufällig war oder ob sie tatsächlich einen deutlich Unterschied der verglichenen Gruppen aufweist. Normalerweise hätte die Studie von einem Gutachter sofort abgelehnt werden müssen, da sie gravierende Mängel und keinerlei Aussagekraft besitzt.

Vielleicht noch schlimmer waren die ethischen Mängel der Studie. Die Ratten wurden einfach in ihren Käfigen weiter gehalten, nachdem sie die Tumore bekamen. Erfasst wurde nur, wie viele Ratten hinterher gestorben waren. Normalerweise würde man die Tiere einschläfern und die Tumorgröße messen und vergleichen, aber es ging diesen Leuten offenbar nur darum zu warten, bis die Tiere starben. Man hatte die Tiere also einfach leiden lassen, um hinterher die Zahl der verstorbenen Tiere erfassen zu können. Seltsamerweise ist den Umweltverbänden dieses drastische ethische Fehlverhalten der Studie nicht aufgefallen.

Nach etwas mehr als einem Jahr, wurde die Studie nun endlich vom Journal aufgrund von gravierenden Mängeln zurückgezogen. Es gibt viele wissenschaftliche Arbeiten, die wegen Mängeln in Durchführung, Auswertung oder Interpretation zurückgezogen werden. Das ist ein Problem in der Wissenschaft, das in letzter Zeit immer mehr thematisiert wurde.

Doch diese Studie war besonders, und zwar in mehreren Hinsichten. Erstens, war sie wissenschaftlich extrem miserabel. Durch die Wahl des Rattenstamms und die fehlende Statistik hat sie keinerlei Aussagekraft. Zudem ging es Séralini, der ein erklärter GV-Pflanzen-Gegner ist, und seinen Mitarbeitern nur darum zu zeigen, dass GV-Mais schädlich ist. Das heißt das Ergebnis stand schon vor Beginn der Studie fest. Eine solche Herangehensweise an eine Studie fällt unter wissenschaftliches Fehlverhalten. Zweitens war sie ethisch zutiefst fragwürdig, weil die Tiere unnötigem Leiden ausgesetzt waren und normalerweise bei jedem Tierversuch unnötiges Leiden der Tiere vermieden werden muss.

Doch die Studie war auch besonders, weil sie so stark von den Medien aufgegriffen wurde und zwar weil es um ein heikles Thema geht, das die Gemüter spaltet. Ich habe schon mal über GV-Pflanzen geschrieben, und dass viele Leute eine diffuse Angst vor allem Künstlichen und Chemischen haben und alles Natürliche preisen. Daher finde ich auch die Rolle der Medien in dieser Geschichte äußert fragwürdig, da sie sich reißerisch und ohne vernünftige kritische Prüfung auf das Thema gestürzt haben und damit massiv zur Verbreitung von fragwürdigen wissenschaftlichen Ergebnissen beigetragen haben.

http://retractionwatch.com/2013/11/28/controversial-seralini-gmo-rats-paper-to-be-retracted/